Der Laborneubau des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) auf der Billeinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort nimmt Gestalt an. In einem anonymisierten Vergabeverfahren hatte sich der Entwurf des Dresdener Planungsbüros Rohdecan Architekten durchgesetzt.
RCA_HU_Ansicht Bullenhuser Damm @ Visualisierung Lindenkreuz-Eggert
Das Institut für Hygiene und Umwelt – Hamburger Landesinstitut für Lebensmittelsicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltuntersuchungen (HU) – ist die Landesuntersuchungseinrichtung der Freien und Hansestadt Hamburg. Als Landesbetrieb der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) nimmt das Institut hoheitliche und amtliche Aufgaben wahr. Es betreibt dazu 220 Labore und führt jährlich an 250.000 Proben über 1,3 Millionen Untersuchungen durch.
Stadtentwicklungsgebiet Billebogen
RCA_HU_Ansicht Grossmannstraße @ Visualisierung Lindenkreuz-Eggert
Die Freie und Hansestadt Hamburg beauftragte 2017 die städtische Billebogen Entwicklungsgesellschaft als Teil des Senatsprogramms Stromaufwärts an Elbe und Bille mit der Entwicklung von drei Quartieren im Stadtteil Rothenburgsort. Das gewerblich geprägte Quartier Billebecken wurde seit mehreren Jahrzehnten städtebaulich und planerisch wenig betrachtet, soll nun als innenstandnaher Standort für Urbane Produktion Hamburgs lokale Innovationsfähigkeit sichern. Neben Bestandsunternehmen finden hier in einer dichteren, nachhaltigeren Bebauung neue Betriebe Platz.
2019 wurde in einer Machbarkeitsstudie die generelle Umsetzbarkeit des Neubauvorhabens auf einem ca.12.500 Quadratmeter großen Grundstück in Rothenburgsort zwischen der Großmannstraße im Süden und dem Bullenhuser Damm im Norden geprüft. Das Grundstück ist Teil des von der städtischen Billebogen Entwicklungsgesellschaft (BBEG) entwickelten Gewerbequartiers Billebecken und wurde von dieser 2022 der Sprinkenhof GmbH zur Planung und Realisierung anhand gegeben. Aufgrund der besonderen Situation ergaben sich für das Auswahlverfahren hohe städtebaulich-architektonische Ansprüche.
Neubau des Instituts für Hygiene und Umwelt
RCA_HU_Model @ Rohdecan Architekten GmbH
Als erstes Neubauvorhaben stellt dieser markante Neubau des Instituts für Hygiene und Umwelt einen ausdrucksstarken Auftakt für das Quartier am Billebecken dar. Besonders gut gelungen ist der respektvolle Umgang mit dem benachbarten Kulturdenkmal der Schule am Bullenhuser Damm, der durch den Neubau nicht überragt wird.
Am neuen Stadteingang erhebt sich der Neubau als markanter Turm. Große, tiefe Eingangsportale verflechten das Haus mit dem Platz. Vom Turm aus stuft sich das Gebäude entlang der Großmannstraße sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe ab. Am Bullenhuser Damm tritt die innere Struktur des Hauses nach außen und formt eine repetitive, vielgliedrige Netzstruktur aus Patios und Brücken. Sie verflicht sich mit den umliegenden Straßenräumen und ist sowohl Reminiszenz an die überkommene Raumstruktur der alten Verladehöfe als auch Brückenschlag zu den avisierten Hofstrukturen des neuen Stadtteils. Die Parkseite indes formt mit ruhiger Raumkante und moderater Höhe den neuen zentralen Park und überlässt der historischen Schule den Auftritt.
Modulares Raumprogramm
HU_Schema Struktur_RCA @ Rohdecan Architekten GmbH
Die Anforderung an den neungeschossigen Neubau war es, eine Gesamt-Bruttogeschossfläche (BGF) von ca. 40.000 Quadratmetern mit einer Nutzfläche von etwa 21.000 Quadratmetern zu schaffen. Den Kern bilden hochinstallierte, nicht-öffentliche Laborflächen, konzipiert als optimierte Labormodule mit jeweils rund 450 Quadratmetern Grundfläche. Gefordert war eine den hohen technischen Auflagen und Sicherheitsanforderungen entsprechende Gebäude- und Haustechnikplanung, bei der die Laborbereiche durch einen Verwaltungstrakt mit Büroflächen sowie öffentliche Funktionsbereiche in Form einer Kantine, für die Ausbildung, Konferenzen, das HU-Museum und eine allgemeine Impfstelle ergänzt werden. An den exponierten Kanten des Gebäudes sind dezentral die Kommunikationsbereiche neben großen ‚Außenzimmern’ mit Stadtblick angeordnet und über die persönlichen Arbeitsplatz Bereiche
miteinander verbunden. Durch den simplen, linearen Aufbau des Funktionslayouts ermöglicht das Gebäude trotz seiner Größe eine einfache Orientierung.
Vom Hauptzugang am Stadtplatz werden die öffentlichen Bereiche direkt vom Foyer aus erschlossen. Eine großzügige Freitreppe verläuft durch ein viergeschossiges Atrium, von dem aus, der zentrale Hauptweg mit dezentral angeordneten Treppenhäusern und Aufzügen zu den Laboren führt. Alle Module sind zu erreichen ohne andere Laborbereiche durchqueren zu müssen.
Nachhaltiger Laborneubau
HU_Erschließung Schema_RCA @ Rohdecan Architekten GmbH
Als Orientierung für einen nachhaltigen Laborneubau dienen die BNBGold Standards. Tragkonstruktion und Fassaden des nördlichen `Bürokamms‘ werden in Holz ausgeführt. Dadurch ist ein hoher Vorfertigungsgrad für eine schnelle Errichtung vor Ort möglich. Das Hauptgebäude wird in lokal hergestelltem Recyclingbeton errichtet und erhält eine Außenwand-Fassaden-Konstruktion in Holzrahmenbauweise. Eine umlaufende Bandfassade mit ebenfalls umlaufenden auskragenden Gesimsen, auf deren Oberseiten Photovoltaikelemente angebracht werden fungiert als identitätsstiftendes gestalterisches Element. Dadurch wird die solare Energiegewinnung prominent im Straßenraum und aus der Fußgängerperspektive erlebbar gemacht. Die Schrägstellung erhöht die Effizienz der Energiegewinnung und dient gleichzeitig als passive Verschattung. Durch das zirkuläre Designkonzept werden Verbundbauweisen vermieden und ein hoher Grad an Demontierbarkeit und Wiederverwendbarkeit erreicht. Die Dächer bleiben frei für PV-Anlagen und Dachbegrünung.
Das Gebäude wird im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) von der Sprinkenhof GmbH im Mieter-Vermieter-Modell geplant. Die Fertigstellung ist für 2029 gelpant.
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