Positionslichter: Wo ist die Mitte Altonas?

Etwa 4.800 Wohnungen sollen auf dem Gelände des alten Altonaer Bahnhofs und dem heutigen Areal der Holstenbrauerei entstehen. Mehr als 60 Hektar ehemalige Industrie- und Bahnverkehrsflächen sollen demnächst vorwiegend dem Wohnen dienen. Mehr noch: Es ist ein neues Stück Stadt geplant. Da ist es mit Wohnungen alleine nicht getan. Man braucht Läden, Kindergärten, Schulen und sonstige Orte der Bildung und der Begegnung, um hier nicht mitten zwischen den lebendigen Quartieren Altona und Ottensen eine reine Schlafstadt zu bauen.

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Park Mitte Altona © Rotzler Krebs Partner / nightnurse images

Ein Blick in die Geschichte

Schon einmal wurde der Altonaer Bahnhof verlagert. 1898 war die erste Anlage mit dem 1842 erbauten Bahnhofsgebäude zu klein geworden und die Gleisanlagen verhinderten das Zusammenwachsen der knapp 10 Jahre zuvor vereinigten Städte Altona und Ottensen. Der Bahnhof entstand an der Stelle neu, an der er sich heute noch befindet. Der alte Bahnhof wurde zum Rathaus umgebaut und auf dem alten Gleisfeld ein Park eingerichtet – umstanden von wichtigen städtischen Gebäuden, wie dem Rathaus, dem Altonaer Museum, der Berufsschule „Haus der Jugend“ der norddeutschen Zentralverwaltung der Reichsbahn und mondänen Bauten wie dem Altonaer Theater an der Königstraße.

Außerhalb des Zentrums um das alte Rathaus in der Altstadt Altonas wurde eine neue Mitte geschaffen, die ein Zusammenwachsen der neuen Doppelstadt forcieren sollte. Der Zweite Weltkrieg und die folgende Planung für Neu-Altona beendeten allerdings die Herausbildung eines neuen Zentrums für Altona an dieser Stelle nachdem die Stadt 1937 ein Teil Hamburgs geworden war. Die Rolle des Zentrums sollte die Neue Große Bergstraße mit seinen Kaufhäusern und Geschäften übernehmen. Auf der anderen Seite der nunmehr imaginären Grenze verstärkt sich eine solche Entwicklung in der Ottenser Hauptstraße und um den Spritzenplatz. Noch heute lassen sich die getrennten Innenstadtbereiche Altonas und Ottensens ablesen. Das Bahnhofsgebäude wurde nach starken Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg 1978 an selber Stelle ersetzt. Es entstand hier sozusagen als Schlusspunkt der Einkaufszone Neue Große Bergstraße das erste Kaufhaus mit Gleisanschluss, das zusammen mit dem großen Busterminal vor seinem Hauptportal die Grenze nach Ottensen eher verfestigt als überwindet.

Wo ist die Mitte Altonas?

Die jetzt geplante, abermalige Verlegung des Altonaer Bahnhofs, diesmal an den Ort der heutigen S-Bahnhaltestelle Diebsteich bietet nun erneut die Chance, die Ost-West Verbindungen zwischen Altona und Ottensen zu stärken, sie wird aber wohl vertan, denn das Busterminal, das Bahnhofsgebäude sowie der Graben für die S-Bahngleise wird erhalten bleiben. Zusammengefügt wird kaum etwas – im Gegenteil: Um den neuen Fernbahnhof soll ein weiterer zentraler Ort entstehen. Die neue Bebauung auf dem Gelände der Holstenbrauerei hat in der direkten Umgebung des S-Bahnhofes Holstenstraße eine ebenfalls zentrale Bedeutung.

Wo also wird nun die neue Mitte Altona wirklich entstehen? In der Neuen Großen Bergstraße um das IKEA-Kaufhaus? Um den Spritzenplatz in Ottensen? Um den neuen Altonaer Bahnhof am Friedhof Diebsteich? Am S-Bahnhof Holstenstraße? Es scheint fast so, als hätte Altona bald kein eindeutiges Zentrum mehr. Wo aber ist die neue Mitte Altona dann wirklich zu finden? Im neu angedachten Park um den Wasserturm auf dem alten Gleisfeld?

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Mitte Altona © a-tour

Eine klare urbane Strategie ist nicht zu erkennen und angesichts der harten Kämpfe, die der lokale Einzelhandel gegen den Internethandel derzeit auszufechten hat, ist kaum mit seiner belebenden Wirkung für den Öffentlichen Raum zu rechnen. Vor allem dann nicht, wenn er räumlich buchstäblich so zergliedert wird, wie das in Altona jetzt zu erwarten ist. Was oder welche Nutzung aber kann den öffentlichen Raum beleben? Wie wird das Leben im urbanen Raum in Zukunft aussehen? Während die Diskussion um diese Fragen gerade erst angehoben hat, werden im Gebiet „Mitte Altona“ überwiegend Wohnungen geplant. Eine öffentliche Nutzung der Erdgeschosse ist nur in geringem Maße vorgesehen.

Der städtebauliche Wettbewerb um das Areal der Holstenbrauerei ist gerade entschieden worden. Kann hier aber der urbane öffentliche Raum gestärkt werden oder wird Altona endgültig zur westlichen Schlafstadt Hamburgs? Das ist kaum zu erwarten.

Olaf Bartels