Neues am Spielbudenplatz

Ein Lagebericht

So lange Wilhelm Bartels (mit dem der Autor leider nicht verwandt ist) als geheimer König von St.Pauli das Regiment über den etwas anrüchigen, aber kleinteilig überschaubaren Immobilienmarkt führte, war zumindest diese Welt des schillerndsten Quartiers Deutschlands noch in Ordnung. Die großen Investitionen auf dem ehemaligen Gelände der Astra-Bavariabrauerei, dem Bernhard-Nocht-Areal oder für die „Tanzenden Türme“ brachten aber dann um die Jahrtausendwende erhebliche Unruhe in den Stadtteil. Sie erregten Protest und Widerstand, kreierten aber auch kreative partizipative Projekte wie „Park Fiction“, einem kleinen, von den Anwohnern selbst gestalteten Park.

Als die Bayerische Hausbau das Gelände mit den drei Scheibenhochhäusern aus den 1960er Jahren und der Esso-Tankstelle, die dem Komplex den Namen gab, 2009 kaufte, konnte sie also schon in etwa ahnen, was auf sie zukommen würde. Auf dem Areal zwischen dem Spielbudenplatz an der Reeperbahn, der Taubenstraße und der Kastanienallee sowie dem Panoptikum und dem Musicaltheater, den westlichen Nachbarn, sollen jetzt 24.000 qm Nutzfläche in einem hochverdichteten und dennoch kleinteilig durchmischten Stadtquartier entstehen. Aber die große Protestwelle, die nach dem Abrissbeschluss anhob, dürfte sie dennoch überrascht haben. Die baulichen Umwälzungen der vergangenen Jahre hatte Angst vor Verteuerung und Vertreibung im Stadtteil aufkommen lassen und viele Anwohner auf den Plan gerufen.

Neues am Spielbudenplatz

Für die Eigentümerin und für das zuständige Bezirksamt-Mitte war das offenbar Grund genug, die Bewohner- und die Nachbarschaft schon früh am Planungsprozess teilhaben zu lassen. 2014 wurde die „Planbude“ ins Leben gerufen, in der nicht nur Meinungen und Wünsche gesammelt wurden. Begleitet von Park-Fiction-Aktivisten, Künstlern, Kulturwissenschaftlern und Angehörigen der HafenCity Universität wurden hier mit den Stadtteilbewohnern „Wunschproduktionen“ veranstaltet und „utopischer Überschuss“ erarbeitet.

Entstanden ist daraus unter anderem der sogenannte St. Pauli Code, ein Kriterien- und Richtlinienkatalog, der einerseits die St.Pauli-Spezifika benennt, andererseits Prinzipien wie Kleinteiligkeit der Bebauung, ein niedriges Mietniveau für Wohnungen und Gewerbeflächen sicher stellt sowie öffentliche Räume zugänglich hält ohne dass ein Konsumzwang entsteht.

In einem städtebaulichen Gutachterverfahren, das NL-Architekten und die BeL Sozietät für Architektur (Köln/Amsterdam) für sich hatten entscheiden konnten, wurden diese Maßgaben 2015 in steter Abstimmung mit der Planbude und öffentlichen Foren in eine urbane Struktur gebracht.  Der Rahmen für das hochbauliche Wettbewerbsverfahren wurde damit eng gesetzt.

Quartier Spielbudenplatz St. Pauli, Neues am Spielbudenplatz

St. Pauli Quartier Spielbudenplatz auf dem Gelände der ehemaligen Esso Häuser © a-tour

Der Architekturwettbewerb

Die fünf im vergangenen Jahr zu einem Architekturwettbewerb eingeladenen Büros arbeiteten, wiederum begleitet von einer öffentlichen Planerwerkstatt, jeweils architektonische Vorschläge für das komplette Areal aus. Zu denken, zu entwerfen und zu planen war für die Architekten in Häusern auch wenn das gesamte Gebiet bearbeitet werden musste. Die Jury beurteilte jedes der fünf zuvor eingeteilten Baufelder einzeln und zeichnete jeweils Arbeiten unterschiedlicher Büros aus. Entsprechend heterogen ist das Ergebnis ausgefallen. Die Esso-Häuser hatten gegenüber den jetzigen Vorschlägen eine fast monolithische Struktur. Für die Zukünftige Bebauung liegt die Betonung eindeutig auf Vielfalt.

Damit ist der Planungsprozess aber noch nicht abgeschlossen. Die Architekten überarbeiten ihre ausgezeichneten Entwürfe und die Eigentümerin arbeitet mit Nachdruck daran, die zum Teil sehr detailliert vorgegeben Nutzungen mit ausgesuchten Betreibern und Nutzern streng nach dem St.Pauli-Code und in Abstimmung mit der Bewohner- und Anwohnerschaft über die Planbude zu realisieren.

Neben Hotel, Einzelhandels- und Gewerbeflächen soll es Sporteinrichtungen und besondere Dachnutzungen geben, die wohl bedacht und kombiniert werden müssen. Es wird Sozialwohnungen und eine Baugemeinschaft sowie freifinanzierte Mietwohnungen geben, die zu üblichen Marktpreisen angeboten, aber in ihren Abmessungen so klein sind, dass auch sie günstig mietbar sind. Durch das Innere des Karrees soll eine „Quartiersgasse“ führen, die den Bewohnern als eine Art halböffentlicher Raum die Begegnung untereinander, aber auch mit der vielfältigen Öffentlichkeit des Quartiers ermöglicht. Erste Preise errangen in diesem hochbaulichen Verfahren: NL-Architekten und die BeL Sozietät für Architektur (Köln/Amsterdam), feld72 Architekten ZTGmbH (Wien), Lacaton/Vasal (Paris) sowie ifau+Jesko Fezer (Berlin). Sie treten in der neuen Planungsrunde an. Es bleibt also spannend.

Fest steht allerdings, dass an dieser Stelle eines der lebendigsten und vielfältigsten Neubauquartiere in Deutschland entstehen wird.

Olaf Bartels

Quartier Spielbudenplatz NL + Bel, Neues am Spielbudenplatz

Quartier Spielbudenplatz perspective by day © NL+BeL