Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal erhalten den Pritzker-Preis 2021. Lacaton und Vassal, die 1987 ihr Büro gründeten, stehen wie kaum ein anderes Architektenpaar für eine soziale und ökologische Wende in der Architektur. Auch in Hamburg wird eines ihrer Projekte stehen im geplanten Paloma Viertel in St. Pauli auf dem ehemaligen Areal der Esso Hochhäuser.
Pritzker Preisträger 2021 Lacaton und Vassal Architectes bauen in Hamburg
Das Wettbewerbsverfahren des Paloma Viertels auf dem Areal der sogenannten Esso Hochhäuser ist fast abgeschlossen. Die Bayerische Hausbau möchte auf dem Gebiet des Paloma Viertel, gelegen zwischen dem Spielbudenplatz an der Reeperbahn, der Taubenstraße und der Kastanienallee – ein gleichzeitig hochverdichtetes und kleinteilig durchmischtes Stadtquartier bauen.
Große Investitionen auf dem ehemaligen Gelände der Astra-Bavariabrauerei mit dem Bavaria Quartier, dem Bernhard-Nocht-Quartier, Pestalozzi Quartier oder die „Tanzenden Türme“ brachten seit der Jahrtausendwende erhebliche Unruhe in den Stadtteil St. Pauli, in dem das Bauen von größeren Projekten noch nie einfach war. All diese Vorhaben erregten Protest und Widerstand. Als 2009 die Bayerische Hausbau das Gelände mit den drei Hochhäusern aus den 1960er Jahren und der Esso-Tankstelle kaufte, um dort neu zu bauen, konnte sie erahnen, was auf sie zu-kommen könnte. Die riesen große Protestwelle, die nach dem Abrissbeschluss der Stadt anhob, dürfte die Bauherrin dennoch überrascht haben. Mittlerweile hatte die Angst vor Gentrifizierung viele Anwohner St. Paulis auf den Plan gerufen.
Für die Bayerische Hausbau und das zuständige Bezirksamt-Mitte offenbar Grund genug, die Nachbarschaft und Bürger*innen schon früh am Planungsprozess teilhaben zu lassen. 2014 wurde die „Planbude“ ins Leben gerufen: Begleitet von ehemaligen Park-Fiction-Aktivisten, Künstlern, Kulturwissenschaftlern, Stadtplanern und Angehörigen der HafenCity Universität wurde gemeinsam mit den Stadtteil-bewohnern der sogenannte St. Pauli Code entwickelt. Bestandtteile dieses Richtlinienkatalogs sind einerseits die St. Pauli-Spezifika, andererseits legt er Prinzipien wie kleinteilige Bebauung, niedrige Mieten für Wohnen und Gewerbe, aktiv bespielte Dachflächen und öffentliche Räume ohne Konsumzwang fest.
In einem städtebaulichen Gutachterverfahren, das NL-Architekten und die BeL Sozietät für Architektur für sich entschieden, wurden 2015 diese Maßgaben in steter Abstimmung mit der Planbude und öffentlichen Foren in eine urbane Struktur gebracht, die einzelne Gebäude definiert und Nutzungen exakt lokalisiert. Geplant ist ein urbaner Sockel, in dem öffentlich zugängliche Nutzungen wie Gastronomie, Einzelhandel oder entsprechendes Gewerbe untergebracht werden soll. Ein Hotel soll den dahinter liegenden Wohnungen Schutz vor dem lärmenden Spielbudenplatz bieten. Durch das Innere des Areals ist eine „Quartiersgasse“ geplant, eine Art halböffentlicher Raum. Zudem sollen Flächen für ein ortspezifisches, auf Musik und Show bezogenes Gewerbe geschaffen werden.
Paloma Viertel • Wettbewerbsverfahren entschieden
Mit diesem hochbaulichen Verfahren ist der Planungsprozess noch nicht abgeschlossen. Die Preisträger wurden aufgefordert ihre Entwürfe zu überarbeiten sowie die sogenannte „Quartiersgasse“ noch nicht im Detail zu planen. Die Bayrische Hausbau bemüht sich, die zum Teil sehr detailliert vorgegebenen Nutzungen zu realisieren – mit ausgesuchten Betreibern und Nutzern, streng nach dem St. Pauli Code und in Abstimmung mit der Anwohnerschaft über die Planbude. Neben dem Hotel, den Einzelhandels- und Gewerbeflächen soll es Sporteinrichtungen und Sondernutzungen der Dächer (z.B. Sport, Restaurant- und Gemeinschaftsdächer) geben, die wohl überlegt und kombiniert werden müssen. Circa 40 Prozent der Wohnungen werden Sozialwohnungen sein, circa 20 Prozent innerhalb einer Baugemeinschaft, circa 40 Prozent freifinanzierte Mietwohnungen zu üblichen Marktpreisen. Letztere werden aber in ihren Abmessungen so klein sein, dass auch sie günstig mietbar sind. Insgesamt sollen 24.000 Quadratmeter Nutzfläche gebaut werden. Die Fertigstellung ist für 2024 geplant. Fest steht, dass hier eines der lebendigsten und vielfältigsten Neubauquartiere in Hamburg entstehen wird.
1. Preise Baufeld (BF) 1: NL Architects und BeL Sozietät für Architektur, Amsterdam/Köln; BF 2 und 5: feld72 Architekten ZT GmbH, Wien; BF 3: Lacaton & Vassal, Paris (Haus 3.1: Turm), NL Architects und BeL Sozietät für Architektur, Amsterdam/Köln (Haus 3.2 : Eckhaus), ifau + Jesko Fezer, Berlin (Haus 3.3: Zickzack); BF 4: ifau + Jesko Fezer, Berlin
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