Positionslichter: Die Elbphilharmonie ist fertig!

Überrascht es wirklich, dass das in der jüngsten Zeit wohl spektakulärste und weltweit meist beachtete Hamburger Bauwerk, die Elbphilharmonie, fertig gestellt worden ist? Wäre es nicht eher verwunderlich gewesen, wenn dieses Projekt gescheitert wäre und als Bauruine einen der markantesten Orte des neuen Hamburg besetzt gehalten hätte? Man muss den verantwortlichen Politikern, den Bürgermeistern Ole von Beust (CDU) und Olaf Scholz (SPD) sowie – und das nicht zuletzt – der verstorbenen Kultursenatorin Barbara Kisseler wirklich dankbar sein, dass sie den Bau trotz aller Widrigkeiten und so manchem unverantwortlichen Schaukampf der Baubeteiligten nicht haben fallen lassen oder publikumswirksam Architekten und Bauunternehmen in die Wüste geschickt haben. Stattdessen haben sie erreicht, dass alle Beteiligten so lange, beharrlich gearbeitet haben bis das Gebäude fertig war. Hochachtung! Selbstverständlich ist man heute schlauer als bei Planungsbeginn, aber klar ist auch: Eine zweite Elbphilharmonie hätte es nicht geben. Aus den gemachten Fehlern kann man so zwar lernen, sie aber bei einem nächsten Mal nicht korrigieren. Es bleibt allein die Hoffnung auf eine Signalwirkung nach Berlin, um dort Kraft zu finden, das noch immer anhaltende, peinliche Theater um den
Hauptstadt – Flughafen zu beenden.

Die Elbphilharmonie ist fertig!

Plaza Elbphilharmonie © a-tour

Die Elbphilharmonie ist fertig!

Aber der Flughafen in Berlin wird, wie Gottfried Knapp es in der Süddeutschen Zeitung feststellte, unter Umständen nicht von dem Bonus des Vergessens profitieren können, den die Elbphilharmonie offenbar jetzt schon für sich verbuchen kann. Das Erlebnis der Flughafen-Architektur wird stets an ihrer Zweckdienlichkeit und Effizienz gemessen werden; die Elbphilharmonie schöpft ihren architektonischen Mehrwert vielmehr aus dem sinnlichen Erlebnis eines Konzertes oder eines Besuches auf der Plaza. Auf das erstere darf man noch sehr hoffen und sich mit Zuversicht freuen, letzteres kann man jetzt schon erleben. Nicht wenige haben sich diesen Genuss bereits seit Anfang November gegönnt.

Allein am ersten Wochenende nach ihrer Eröffnung zählte man auf der Plaza schon 30.000 Besucher! In der Tat ist die Aussicht auf die Stadt und ihren Hafen grandios. Die  Aussichtsplattform liegt nicht zu hoch, um den Blick für die Details zu verlieren, aber hoch genug, um Überblick zu gewinnen. Diese Höhe lässt sich überdies bequem mit einer Rolltreppe erreichen, deren Benutzung selbst schon zu einem Erlebnis wird, nicht zuletzt dank des Zwischenstopps in der schon von dem Architekten des Kaispeicher A, Werner Kallmorgen, in der Westfassade eingerichteten Loggia. Seine Berufskollegen Herzog und de Meuron haben sie in die Konzeption der Elbphilharmonie einbezogen.

Die Elbphilharmonie ist fertig!

Großer Saal Elbphilharmonie © a-tour

Auch die Plaza selbst zeigt sich gerade in dieser kalten Jahreszeit als eine angenehme Einrichtung: Die großen Glaswände bereiten auf die Aussicht vor, verhindern aber den Kälteschock der scharfen Winde, die in dieser Höhe schon unangenehm werden können. Durch Schleusen erreicht man den Umgang, der dann den vollen Rundumblick ermöglicht. Die Architektur der Plaza ist von großer Detailtreue und sorgsam eingesetztem Material geprägt. Hier sucht man zunächst vergeblich danach, wo das viele Geld, das für den Bau ausgegeben worden ist, geblieben ist – nichts ist zu dick aufgetragen oder zu pompös eingerichtet. Auch wenn man vielleicht ahnt, das geschwungene Glasscheiben wohl teurer gewesen sein dürften als eine gerade Glaswand mit Pfosten und Riegeln. Prächtig ist die Architektur nicht. Im Gegenteil bestimmen Zurückhaltung und kein zu üppiger Materialeinsatz das Bild. Damit steht die Architektur der Elbphilharmonie mit allen Sinneseindrücken ihrer Architektur in guter hanseatischer Tradition. Der Berliner Flughafen wird aber eben wohl vornehmlich an seiner Funktionalität gemessen werden. Da fällt das Vergessen der Entstehungsgeschichte schwerer.

Man könnte über die Elbphilharmonie ins Schwärmen geraten, auch wenn man ihre Konzertsäle noch nicht gesehen oder gehört hat. Nur die aller wenigsten Kommentatoren finden denn auch einen Ansatz zur Kritik. Hartnäckig werden die hohen Baukosten und vor allem ihre Steigerung während des Bauprozesses ins Feld geführt, aber man kann schon spüren, dass diese Kritik bald verblassen wird. Denn die Eindrücke ihrer Architektur sind überwältigend.

Die Elbphilharmonie ist fertig!

Tube Elbphilharmonie © a-tour

Ähnliches gilt selbstverständlich für die Präsenz des Gebäudes in der Stadt. Die Elbphilharmonie bildet nicht nur einen Leuchtturm für die HafenCity, sie betont die Akzentverschiebung, die der „Sprung über die Elbe“ für Hamburg bedeutet. Sie kennzeichnet das innere Wachsen der Stadt, für die durch die IBA auf den Elbinseln eingeleitete Entwicklung und für die angestoßene Stadtentwicklung in Richtung Osten wie auch für die – auch ohne die Olympiade 2024 – anstehende Entwicklung des Kleinen Grasbrook. Die Elbphilharmonie ist das Symbol für die neue Mitte der Stadt. Dafür kann es nicht genügend erlebbare Architektur geben.

Olaf Bartels

 

 

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