Positionslichter: Architekturpreis

Alle zwei Jahre vergibt der Bund Deutscher Architekten (BDA) Hamburg einen Architekturpreis und stellt die ausgezeichneten Bauten außerdem einer durch das Hamburger Abendblatt organisierten Abstimmung, aus der dann der Publikumspreis hervorgeht. In diesem Jahr war es wieder so weit: knapp 80 in den vergangenen zwei Jahren in Hamburg entstandene Bauprojekte wurden eingereicht. 24 Arbeiten hat die Jury unter Vorsitz des Münchener Architekten Ludwig Wappner davon mit einer Würdigung, 12 weitere Bauten – verteilt auf drei Preisränge – mit Preisen ausgezeichnet. Diese standen dann auch in der Leserschaft des Hamburger Abendblatt zur Publikumsabstimmung.

Die insgesamt 36 besonderen Würdigungen weisen ein breites Spektrum unterschiedlicher Projekte aus, das von der Einrichtung eines Konzertsaals bis zum städtebaulichen Ensemble reicht und damit die Komplexität der Arbeitsfelder von Architekten aufzeigt, die ihnen die jeweiligen Bauherren eingeräumt haben. Diese wurden mit dem Preis ebenfalls geehrt. Unter den gelobten Arbeiten waren natürlich viele, bei denen es um das Wohnen geht: neue Wohnquartiere, Modelle für günstige Einfamilienhäuser, gelungene energetische Fassadensanierungen. Zu den ausgewählten Projekten gehörten aber auch Kulturbauten, Kindertagesstätten, innovative Industriebauten, Bauten, die städtebauliche Akzente setzten sowie solche, die sich in den jeweiligen Kontext zurückhaltend einordnen. Das gilt genauso auch für die Arbeiten auf den Preisrängen. Zum Beispiel die auf dem dritten Preisrang ausgezeichneten Arbeiten: Das Pestalozzi-Quartier in Hamburg-St.Pauli, das die Architekten Renner, Hainke Wirth sowie Schaub & Partner geplant haben, die Erweiterung des Bürgerhauses in Barmbek von KBNK Architekten, das Baufeld 70 in der HafenCity (APB Architekten, Hasloh Kruse + Partner, BLK2 Architekten) sowie die Sonnenhöfe in Wilhelmsburg (Czerner Göttsch Architekten) setzen jeweils für sich besondere architektonische und konzeptionelle Akzente für die Entwicklung der Quartiere. Die Projekte fügen Nutzungen zusammen, die bislang stets separat behaust wurden. Sie geben Menschen mit unterschiedlich hohen Einkommen eine gemeinsame Nachbarschaft. Sie legen Wert auf eine einladende gestalterische Geste, um Menschen die Begegnung in der Freizeit zu erleichtern und sie sorgen dafür, das ein Stück vernachlässigter Innenstadt zum Wohnen für Familien wieder interessant wird.

Bund Deutscher Architekten (BDA) Hamburg Architekturpreis 2016

Die auf dem zweiten Preisrang platzierten Projekte spannen wieder einen anderen Bogen: Der Resonanzraum St. Pauli (PFF Architekten) beweist, dass selbst ein Fremdkörper wie der Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg durch eine attraktive Umgestaltung in sein Umfeld eingebunden werden kann. Eine Kindertagesstätte wie der Kinderkreisel (Klaus Schönberg Architekten) im Stadtteil Wohldorf gibt den Kindern, die dort einen alltäglich großen Teil ihrer Zeit verbringen, gleich zwei wichtige Eindrücke mit auf dem Weg durch ihren Tag: Sie bietet ihnen einen behüteten Raum und läßt sie gleichzeitig an der umgebenden Landschaft teilhaben. Der Industriekomplex Jaffe 12 in Wilhelmsburg (A-Quadrat Architekten + Ingenieure) setzt mit seiner Architektur neue Maßstäbe, indem sie den Rahmen für einen neuen konzeptionellen Ansatz setzt, dort mehrere verschiedene Nutzungen zu kombinieren und beispielsweise auch Gastronomie beherbergt. Das Klubhaus St.Pauli (Akyol Kamps:bbp Architekten) gibt, wie der Name es schon andeutet, verschiedenen Klubs ein Zuhause. Seine Fassade bedient gleichzeitig den Spielbudenplatz quasi als einen  Partyraum unter freiem Himmel.

Hamburg Ost, Architekturpreis

Hansaterrassen © Werner Huthmacher, blauraum

Die Arbeiten auf dem 1. Preisrang fügen im großen Maßstab Bausteine in die Stadt ein. So bringt das Elbdeck Hamburg (Architekt Carsten Roth) den lange ersehnten Wohnungsbau an den alten Fischereihafen in Altona und durchbricht damit die jahrelang monostrukturell geprägte Nutzung in diesem Abschnitt der „Perlenkette“. Die Hansaterrassen (Blauraum Architekten) bespielt mit seiner glänzenden Fassadenelementen buchstäblich das Billeufer und setzt für dieses Quartier einen neuen Akzent für das Wohnen in diesem Quartier. Das Ensemble um den „Cinnamon-Tower“ und das alte Hafenamt markieren in der HafenCity das Zentrum des Überseequartiers und gibt der Innenstadterweiterung am Hafen einen Mittelpunkt. Schließlich vermittelt das Bürohaus gegenüber dem Bleichenhof zwischen zwei Stadtplätzen und formt damit gleich zwei benachbarte Freiluftwohnzimmer in der Hamburger Innenstadt.

Alle 36 gewürdigten Arbeiten leisten mit unterschiedlicher Intensität einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der Stadt Hamburg. Sie sind ein Stück gelebter Baukultur, steht hinten jedem dieser Ergebnisse doch jeweils ein langes und intensives Ringen um das Bauen und seine Qualitäten. Dabei war es doch erfrischend zu sehen, dass das die Leserschaft des Hamburger Abendblatts die Gewichtung der Jury regelrecht auf den Kopf stellte und das Elbdeck Hamburg den 3., dem Industriekomplex Jaffe 12 den 2., und dem Resonanzraum St. Pauli den 1. Preisrang gesetzt hat. Frei nach dem Motto: Nicht die Größe, sondern die Qualität zählt.

Gerade dieses Votum sollte Architekten und Bauherren ein Lehre sein. Baukultur ist besonders im Detail gefragt, nicht nur in der großen Geste.

Olaf Bartels

Nähere Informationen zum Architekturpreis finden Sie hier