Positionslichter: Die roten Häuser von Barmbek

Mit der Ringbahn, die ab 1912 eine permanente Verbindung zwischen dem Stadtzentrum, dem Hafen und den neuen Wohnquartieren im Norden schuf, waren auch für das weitere Wachstum der Stadt die Weichen gestellt. So entwickelte sich in den 1920er Jahren die „Wohnstadt Hamburg“, wie sie der Bau- und spätere Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869 – 1947) nannte. Die großen Häuser mit ihren kleinen Wohnungen sollten Arbeitern und solchen Mietern ein Zuhause bieten, die sich große und teure Wohnungen nicht leisten konnten. Aber auch sie brauchten gesunde – das hieß vor allem trockene – gut belichtete Wohnungen im Grünen. Der nahe Stadtpark konnte dabei helfen, aber auch die Innenhöfe und Straßenbäume leisteten ihren Beitrag für diese neue Wohndimension der Stadt.

Das rote Hamburg und das gelbe Altona

Bald sahen die neuen Bebauungsweise, an denen Fritz Schumacher mit seinem Team arbeitete, keine geschlossenen (wenn auch begrünte) Höfe mehr vor, sondern streng ausgerichtete Häuserzeilen, zwischen denen sich Straßen- und Grünräume abwechselten. Selbst gebaut hat die Hamburger Baubehörde nur wenige Wohnungen. Anders als in der Nachbarstadt Altona, die unter der Ägide des Bausenators Gustav Oelsner und mit seinem umfangreichen kommunalen Wohnungsbauprogramm in den späten 1920er Jahren ein ganz neues Gesicht bekam, wirkte Schumacher in Hamburg als eine Art Dirigent. Den einzelnen Architekten und ihren Bauherren gestand er eine eigene Formansprache zu, wenn sie sich gewissen städtebaulichen Rahmensetzungen unterwarfen: Seine Bebauungspläne legten Tiefe, Höhe und Zonierung der Baukörper fest.

Die Verwendung von roten Backstein für die Fassade war so etwas wie eine stille Übereinkunft. So bestimmten das Grün der Pflanzen und das Rot der Steine in den Hamburger Neubaugebieten der 1920er Jahre das Bild der Stadt, wenn nicht hier und da ein weißer Balkon dazwischen kam. Weiße Putzapplikationen in der Fassade wurden so zu einer Art Markenzeichen der Bauten des Architekten Karl Schneider (1892-1945). Gustav Oelsner (1879 – 1956) ließ für die kommunalen Bauten gerne gelbe verwenden oder mischte sie in der Fassade geschickt mit roten Steinen.

stadtfuehrung hamburg architektur Quartier 21, Die roten Häuser von Barmbek

Quartier 21 © Sinje Hasheider, hamburgteam

Die roten Häuser von Barmbek

Auch heute werden in Barmbek wieder Wohnungen gebaut. Sie werden wie damals dringend gebraucht. Einige der Flächen, die damals noch hier für das Krankenhaus, als Rangierflächen für den Güterbahnhof oder für Kleingärten gebraucht wurden, stehen heute für Wohnungsbau zur Verfügung. Auf dem alten Krankenhausgelände sind im neuen Quartier 21 285 Wohnungen, zum Teil in den alten Krankenhausgebäuden entstanden. Auf dem alten Güterbahnhof steht jetzt das Stadtparkquartier mit etwa 1.200 Wohnungen und auf dem nördlich daran angrenzenden Kleingartengelände ist das
Pergolenviertel geplant.

Die jüngeren Geschwister

210 von den 330 Kleingärten sollen in so genannten „Obstkisten“ zusammengefasst werden und so neu geordnet neben den 1.400 neuen Wohnungen existieren. Sie sind dann zwischen großen Wohnblöcken eingefügt. Durchgänge durch Blöcke und Pergolen in den Innenhöfe verbinden nach den Ideen der Planer und Architekten die einzelnen Blöcke mit den Kleingartenanlagen. Der Backstein wird hier, wie auch im Quartier 21 und im Stadtparkquartier, das vorherrschende Material sein. Stadtplaner, Architekten und Bewohner haben sich auf ein einheitliches architektonisches Bild verständigt: Die Durchgänge markieren große Rundbögen, die wie aus der Fassade ausgestanzt aussehen, die Fenster haben schwarze oder anthrazitfarbene Rahmen und die Farbe des Backsteins changiert von Grau im Norden bis Rot im Süden. Auch die Blühten der Pflanzen verändern ihre Farbe von Rot nach Rosa im gleichen Verlauf. Auch im Stadtparkquartier herrscht der Backstein als Fassadenmaterial vor, wenn auch nicht so gut sortiert wie im Pergolenviertel. Und im Quartier 21 haben die beteiligten Architekten für ihre Neubauten ein gutes Pendant zu dem Sonin-Barock gefunden, der schon von Georg Sonins St. Michaelis Kirche in der Innenstadt bekannten Mischung von Back- und Sandsteinen, die auch die Krankenhausbauten in Barmbek bestimmen.

Die roten Häuser in Barmbek haben jüngere Brüder und Schwestern bekommen. Weitere durchleben noch die Geburtswehen. Es bleibt abzuwarten, ob sie irgendwann zu einer großen Familie werden, in der sich auch die Menschen in ihren Familien wohl- und zuhause fühlen.

Olaf Bartels